Autor: Chen Zhonghua
Übersetzung aus dem Englischen
Hong Junsheng wurde am 17. Februar 1907 (chinesischer Mondkalender), in der Gemeinde Yuxian, Provinz Henan, geboren. Er verstarb am 23. Januar 1996 in Jinan, Shandong Provinz, China.
In jungen Jahren zog er mit seinem Vater nach Beijing. Infolge seines schlechten Gesundheitszustandes machte er sich auf die Suche nach einem guten Meister des Taijiquan (Tai Chi Quan). Anfangs lernte er in Beijing bei dem Meister Liu Musan Wu-Stil Taijiquan.
Zu dieser Zeit war Meister Liu ein sehr bekannter Lehrer des Wu-Stils. Als die Neuigkeit die Runde machte, dass ein Meister aus dem Dorfe Chenjiagou in Beijing unterrichtete, entschied sich Meister Liu, diesen zu einer Demonstration einzuladen. Was sie zu sehen bekamen war Chen Fake´s Demonstration der zweiten Routine des Chen Stils, Paochui.
Alle, selbst Meister Liu, konnten nicht begreifen was sie sahen. Nach dem allgemeinen Verständnis von Taijiquan zu dieser Zeit waren die Ausführungen der Bewegungen viel zu schnell. In weiser Voraussicht jedoch entschied sich Meister Liu, beide Routinen von Chen zu lernen.
Nachdem Meister Liu und seine Studenten den ersten Satz der Chen-Form gelernt hatten, entschieden sie sich Meister Chen zu fragen, ob er die schiebenden Hände (pushhands, tuishou) unterrichten könnte. Meister Liu betonte gegenüber seinen Studenten, dass Pushhands im Taiji der eigentliche Test ist, um sein Können zu beweisen. Damit wäre Meister Chen gezwungen sein Können zu demonstrieren, falls er weiter unterrichten wolle. Sollte er scheitern, so mögen doch alle Studenten über den Vorfall Stillschweigen bewahren und weiter Wu-Stil lernen. Andernfalls würden sie dann alle weiter von Meister Chen lernen.
Meister Chen Fake entschied sich zuerst die Prinzipien des Pushhands im Chen-Stil mit Meister Liu Musan zu demonstrieren. Bei der ersten Berührung schon konnten die Studenten den Unterschied sofort erkennen. Meister Liu machte den Eindruck eines kränklichen Kleinkindes. Es war ihm nicht mehr möglich seinen Stand zu bewahren. Meister Chen verkündete, dass er Meister Liu innerhalb einer Minute in den Stuhl befördern würde, der sich in der Ecke des Innenhofs befand, weit weg von den beiden. Sollte dabei der Stuhl umkippen oder Meister Liu neben dem Stuhl landen, so würde Chen seine Niederlage eingestehen. Das war eine haarsträubende Behauptung. Chen Fake ging es hierbei überhaupt nicht um die Fähigkeit zum Kämpfen. Er redete hier nur über Präzision. Auf diese Art zeigte er wie stolz er auf sein Können war.
Jede seiner Behauptungen bewahrheitete sich und so kam es, dass Meister Hong Junsheng, Liu Musan und weitere seiner Schüler ab 1930 Schüler von Chen Fake in Beijing wurden.
Hong blieb 15 Jahre bei Chen Fake, um die Details des Taiji Curriculums der Chen Familie zu lernen. Infolgedessen erfreute er sich guter Gesundheit und erwarb ein tiefes Verständnis und Können im Chen Taijiquan. Sein Chen Taiji ist leicht, rund, spiralig, und besticht durch Kontinuität, Stärke und Ganzheitlichkeit. Er hatte sehr stark den persönlichen Stil seines Meisters.
Im Jahre 1956 zog es ihn zurück nach Beijing, um weiteres Training von seinem Meister zu erhalten. Jedes mal, wenn er über die Anwendung einer Technik, die er benutzte, nachfragte, bekam er immer eine Bestätigung. Er ging jede Technik und jede Bewegung des gesamten Systems mit seinem Meister durch, und eine nach der anderen wurden ihm korrigiert oder bestätigt.
Als er wieder nach Jinan zurückging unterrichtete er weiter das Lehrprogramm, welches von seinem Meister gebilligt worden war. Er stellte seine eigenen Nachforschungen an. Er experimentierte mit Schülern, Freunden und anderer Kampfkünstler. In den folgenden Jahren vertiefte sich sein Verständnis für Chen Taijiquan immer weiter und seine Schülerschaft begann zu wachsen.
Hong war der einzige, der 15 Jahre kontinuierlich ohne Unterbrechung von Chen Fake lernte. Einige betrachteten ihn als lebende Ressource über das Leben und Lehren von Chen Fake. Fast alle bekannten Geschichten über Chen Fake kamen von ihm.
Hong war ein sehr gebildeter Mensch. Er war sehr belesen und hatte ein gutes Gedächtnis.
Er war Experte des “Temperaments” (der Lehre von Rhythmus in der chinesischen Dichtkunst) sowie Dichter und Kalligraph. In seinen experimentellen Nachforschungen zum Chen Taijiquan kombinierte er Philosophie, Physik und Logik. Er folgte damit den Gewohnheiten seines Meisters, Analogien des täglichen Lebens zu benutzten, um Prinzipien, Theorien und Techniken des Chen Taijiquan zu erklären. Er war ein erleuchteter Meister.
Was den Erhalt der Kunst angeht war er sehr traditionell, jedoch war er auch modern eingestellt, um mit der Zeit Schritt zuhalten. So benutzte er gebräuchliche Begriffe, um von heutigem Hintergrund aus die Kunst leichter verständlich zu machen und den Schleier des Mysteriösen zu lüften. Er lehnte es ab Wörter wie z.B. “Qi” in seinem Unterricht und in Texten zu benutzen. Und dennoch, jeder der sein Pushhands persönlich erfahren hatte wusste, dass dieser Mann eine sehr hohe Stufe der Entwicklung erreicht hatte, selbst in den Augen einiger “Qi”-Meister.
Hong hatte ein schweres Leben und verbrachte die Hälfte davon in Armut. Die einzige Motivation in seinem ganzen Leben war die Weitergabe der Kunst seines Meisters. Seine lebenslange Beharrlichkeit in der Kunst zog viele Schüler und Besucher aus der ganzen Welt an, einschließlich vieler Japaner.
Für viele war ein Besuch bei diesem “Weisen” ein Erlebnis, von dem man das ganze Leben zehren konnte!
Während der letzten Jahre seines Lebens wurde er mehrfach ausgezeichnet, mit Titeln wie “Vorsitzender des Städtischen Kampfkunst Verband von Jinan”, “Oberster Beirat der Jinan Kampfkunst Akademie”, “Beirat des Kampfkunst Verbands der Universität Shandong” und er war Mitglied der “Konferenz zur politischen Beratung in Jinan”.
Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter “Chen Shi Taijiquan”, “Chen Shi Taijiquan Shiyong Quanfa (Chen Stil Taijiquan Praktische Methode)”, “Chen Stil Taijiquan Techniken” und “Interpretation der Taijiquan Abhandlung von Wang Zengyue”. Im Jahre 1994 arbeitete er an seinem letzten Buch, “Vergleich der Besonderheiten und Methoden der 5 Stile des Taijiquan”. Das Buch wurde fertiggestellt, jedoch nicht publiziert.
Hong war bis zu seinen letzten Tagen ein bescheidener Mann. Er hat sich selbst nie Meister genannt. Im Verhältnis zu seinen Schülern bezeichnete er sich als “Klassenkamerad”. Er unterrichtete die Form in Jinan von 1956 bis zu seinem Tode 1996. Er war dieser einen Kunst 56 Jahre lang ergeben. Diese konsequente Hingabe machte ihn zur wichtigsten Autorität im Chen-Stil. Viele andere bekannte Meister wie Gu Liuxin und Chen Zhaokui ersuchten oft seinen Rat. Außerdem wurde er zur führenden Quelle für Informationen bezüglich des Stils.
Für mich ist seine größte Errungenschaft, dass er stets der daoistischen Lebensweise und der Taiji-Philosophie gefolgt ist. Dies ist für den modernen Menschen die am schwierigsten zu erreichende Sache. Er hat nie in seinem Leben gearbeitet und nur Chen-Stil Taijiquan unterrichtet. Sein ganzes Leben war total auf Taijiquan ausgerichtet. Selbst in seinen letzten Tagen, bettlägerig infolge einer Lebensmittelvergiftung, bestand er darauf, mit seinen Schülern zu pushen.
Er ist einer der wenigen Meister im 20. Jahrhundert gewesen, der trotz enormen Könnens wenig Reputation erlangt hatte. Solche von uns, die so privilegiert waren, von ihm zu lernen, können sich in der Tat als glückliche Menschen schätzen. In unserer heutigen Zeit ist es fast unmöglich, die reine Kampfkunst ohne jeglichen politischen Einfluss zu finden.
Mit meinem ganzen Respekt und Anerkennung für seine Lehre,
Chen Zhonghua
Das Original gibt es zu lesen auf:
www.practicalmethod.com